Fachwerke
historisches
Wenn wir hier vom Fachwerkhaus reden, meinen wir eigentlich das Hallenhaus. Wegen seines regionalen Bezuges wird es auch niederdeutsches Hallenhaus genannt. Es wurde zwischen dem 13. bis 15. Jahrhundert von der bäuerlichen Bevölkerung entwickelt. Das Hallenhaus ist ursprünglich ein 'Einhaus', also ein Haus, bei dem Wohnung, Stallraum und Erntelager in einem großen Gebäude zusammen sind.
Allgemein setzte sich aber der Begriff Niedersachsenhaus durch und wird heute auch noch so gebraucht. Die Verbreitung dieses Haustyps erstreckt sich vom Niederrhein bis nach Hinterpommern. Man kann das Verbreitungsgebiet auch mit der niederdeutschen Sprache, dem Plattdeutschen, in Verbindung bringen.
Übrigens: Das Wort Fach hat nichts mit dem Fachwerk der Wände zu tun, sondern steht für das große Gefach zwischen zwei Holzständerpaaren der Deelendecke (Dielendecke) und Hausdach tragenden Holzinnenkonstruktion, dessen Abstand etwa 2,5 m betrug. Danach wurde auch die Hausgröße bemessen, die kleinsten Häuser hatten nur 2 Fache, die größten liegen bei 10 Fachen und erreichen somit eine Länge von etwa 25 m.
Die Bauweisen sind regional unterschiedlich, in unserer Gegend hat sich das Vierständerhaus durchgesetzt, was eine Weitereintwicklung des Zweiständerhauses ist. Die Konstruktion beruht auf vier Ständerreihen in Längsrichtung, von denen zwei Teil der Deelenwände sind und zwei Teil der Außenwände. Mit dieser Bauweise setzte sich auch eine Trennung zwischen Wohnräumen und Stallungen durch. Als Dachtyp hat sich hier überwiegend das sog. Krüppelwalmdach (ndd. Kröpelwalm), ein Walm, dessen Traufe oberhalb der Traufe des Hauptdaches liegt, das heißt, der Giebel ist nicht vollständig abgewalmt. Er hat je nach Sichtweise einen Schopf oder ein eigenes verkrüppeltes Dach.
Das Bild zeigt den Hagenshof 1912. Auch hier ist der Krüppelwalm sehr schön zu erkennen.
In Becklingen sind im Dorf noch die acht (von ehemals neun) großen Höfe zu finden. Es sind allesamt Fachwerkhäuser, die ihre ursprüngliche Bauzeit vor 1563 haben. Natürlich ist heute kein Haus mehr in diesem Zustand, sie sind allesamt renoviert und umgebaut, haben aber nach wie vor ihren fachwerklichen Charme.
2016/17 restaurierte Giebelseite der alten Dorfschule unter Verwendung alter Materialien (Haus Nr. 22)
Die Pferdeköpfe sind aus einer geborgenen Becklinger Mooreiche, deren Zeit auf ca 400 v. Chr. datiert wurde.
Auffällig an den Häusern sind Verzierungen. Der augenfälligste Schmuck des ansonsten schlichten Hallenhauses befindet sich an den Giebelspitzen: es sind die Pferdeköpfe, zumeist aus witterungsbeständigen Eichenbrettern hergestellt. Die Bretter sind etwa einen halben Meter über den Dachfirst herausgezogen und kreuzen sich in Form eines Schragens. Sie haben aber auch konstruktive Eigenschaften, da sie die Dachkante gegen Wind schützen. Außerdem war oben am Giebel des Hauses traditionell eine Öffnung, das sogenannte Eulenloch (Uhlenlock). Durch diese Öffnung konnte der Rauch des Herdes abziehen und es konnten Eulen zum Mäusefangen auf den Dachboden herein.
Allgemein deutet man die Verwendung von Pferdeköpfen so, dass sie das Sachsenross als Stammeszeichen der Sachsen darstellen. In Niedersachsen war und ist das Pferd das mit Abstand am häufigsten verwendete Tiersymbol. Anmerken muß man, daß die Sachsen hier ihre Heimat hatten und das heutige Bundesland Sachsen nichts mit Ihnen zu tun hatte. Lediglich die Kurfürstenwürde 'wanderte' dorthin.
Manch einem Betrachter mag aufgefallen sein, daß unsere Pferdeköpfe nach außen zeigen. Im Alten Land (Jork, Stade) zeigen Sie gewöhnlich nach innen. Diese Blickrichtung der Pferde (nach innen oder nach außen) und die Anzahl der Zügel ist nicht eindeutig. Im Volksglauben sind verschiedene Deutungen verbreitet, die sich aber allesamt nicht historisch oder statistisch belegen lassen. Allgemein sagt man hier, daß Pferdeköpfe nach außen einen männlich Hoferben zeigen, Pferdeköpfe nach innen suchen einen männlichen Nachfolger (Einheirat). Schenkt man dem Glaube, so hatte wir in der Heide nur männliche Nachfolger... Andere Quellen berichten, dass es in Norddeutschland noch im 16. Jahrhundert Sitte gewesen sei, zur Gefahrenabwehr echte Pferdeköpfe auf Stangen neben einem Haus aufzustellen. Im Übrigen läßt sich der Giebelschmuck nicht so weit zurück verfolgen, wie das niedersächsische Hallenhaus existiert.
Weitere Verzierungen und Haussprüche finden sich als Inschriften über dem (meist ehemaligen) Eingangstor. Der Hauptbalken gibt dabei den Namen der Erbauer, das Baujahr sowie oft einen Bauspruch oder eine Spruchinschrift wieder. Gelegentlich sind im Fachwerk des vorderen Giebels Verzierungen in Form von Ziegelsteinmuster in den Gefachen zu finden.