Nachfolgend noch eine Sage aus Becklingen, die trefflich zeigen dürfte, daß Wölfe früher immer zum Leben gehörten.
(Quelle: Paul Alpers und Georg Breling (Hrsg.): Celler Sagen aus Stadt und Land, Celle 1949)
Die Wolfskulen bei Becklingen
Nordwestlich von Becklingen liegt zwischen dem Becklinger Holz und der Asch eine flache Bodenwelle, der Langenhorst. Dort befinden sich einige eingefallene Kulen, die im Volksmunde Wolfskulen heißen.
Früher kamen in unserer Gegend häufig Wölfe vor. Damals wohnten in Becklingen sieben Bauern, von denen jeder eine große Schafherde hatte. Ließ sich nun ein Wolf bei uns sehen, so kam er gewöhnlich von der Asch über den Langenhorst an das Dorf heran. Dann aber kam er den Schafen zu nahe. Die Bauern gruben daher auf dem Langenhorst einige tiefe Gruben, die sie mit dünnen Zweigen abdeckten. In eine der Kulen setzte man abends eine Gans und band sie in der Art fest, dass sie sich nicht zur Ruhe hinsetzen konnte. Sie sollte in der Nacht flattern und schreien und den Wolf anlocken. Das Liefern der Gänse ging bei den Bauern reihum, und es war ausgemacht, dass der den Wolfsbalg bekam, der die Gans gab.
Wieder war ein Wolf gespürt worden. In Einzingen und Makenthun hatte er Schafe geraubt und zerrissen. "Nu ward't Tid", sagten die Becklinger Bauern und machten schnell ihre Kulen zurecht. Der Bauer vom Hesseschen Hofe (Anm.: Graunshof, etwa zur Zeit 1800-1850 saß ein Hesse dort) lieferte die Gans, denn er war an der Reihe. Seine Frau aber war sehr geizig. Es tat ihr leid um die Gans. In der Nacht stand sie leise auf, dass der Bauer nichts merkte, und eilte mit einem großen Speckmesser in der Hand nach den Kulen. Sie wollte ihre Gans wieder haben. Sie war übereilig gelaufen; denn sie hatte Angst. Sie legte sich über den Rand der Kule, um den Strick abzuschneiden.
Plötzlich kam die Erde unter ihr ins Rutschen, und sie lag bei der Gans in der Kule. Die Grube war tief und die Bauersfrau dick und unbeholfen. Sie musste daher im Loch sitzen bleiben. Ängstlich schrie und flatterte die Gans. Da drückte die Frau ihr den Wind ab; denn sie fürchtete, dass ein Wolf herbeigelockt werden könnte. Lange, lange Stunden hat sie in der Kule gesessen; nicht einmal geweint hat sie; aber es ist ihr heiß und kalt vor Todesangst geworden.
Als es hell wurde, war die Angst nicht mehr so groß; doch nun kam die Scham. Was würden die Leute sagen, wenn sie kamen? Ja, was haben die gesagt, als sie am Morgen mit allerlei Mordwaffen bei der Kule anlangten! Erst waren sie starr; dann fingen sie an zu lachen und haben noch viele Tage und Wochen lachen müssen, wenn sie an die Geschichte dachten. Den Geiz aber soll die Frau in der Nacht verlernt haben.